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Meditation zum Ostersonntag

Tränen und Liebe!

Drei Men­schen kom­men zum lee­ren Grab Jesu und reagie­ren ganz unter­schied­lich. Da ist Maria Mag­da­le­na; ihr Kenn­zei­chen wer­den spä­ter in der Kunst­ge­schich­te die Trä­nen sein, die erst ver­sie­gen, als sie dem Auf­er­stan­de­nen begeg­net. Da ist Petrus; er kommt nach Johan­nes ans Grab und schaut doch als ers­ter hin­ein; mit pro­to­kol­la­ri­scher Genau­ig­keit doku­men­tiert er den Zustand des lee­ren Gra­bes. Auch er braucht sei­ne Zeit, bis er dem Auf­er­stan­de­nen begeg­nen wird und durch die eige­nen Trä­nen hin­durch zum Glau­ben­den wird. Und zuletzt ist da Johan­nes, der Jün­ger, den Jesus lieb­te: Er sah und glaubte. 


Was hat Johan­nes geglaubt? Ich den­ke mir, dass gera­de der Lie­ben­de erah­nen kann, dass der Gelieb­te nicht ein­fach ver­lo­ren gehen darf, son­dern geret­tet wer­den muss. Lie­be will Ewig­keit. Weil sie von Gott kommt und Men­schen Gott ähn­lich macht, kann sie den Abgrund zwi­schen Leben und Tod über­brü­cken.

Mit­ten im Auf­er­ste­hungs­evan­ge­li­um geht es um die Kraft des Men­schen zu lie­ben, das Geschenk Got­tes an die Men­schen. In unse­rer All­tags­er­fah­rung kann Lie­be die Zeit still ste­hen und uns über die All­tags­sor­gen erhe­ben las­sen. Denn Lie­be ist nicht nur Sehn­sucht nach Unend­lich­keit, son­dern auch Ahnung von Ewig­keit. Genau dar­um weist sie den Jün­ger, den Jesus lieb­te, über das Grab hin­aus und hin­ein in jene Ewig­keit der Lie­be, die Gott selbst ist.

Aber da sind auch die bei­den ande­ren mit ihren Trä­nen. Trä­nen sind das Grund­was­ser der See­le. Wo Men­schen wei­nen, da sind sie sich sel­ber nahe und rüh­ren zugleich an den Ursprung des eige­nen Lebens. Aber immer wenn Men­schen sich selbst nahe sind, sind sie auch dem Urhe­ber und Lieb­ha­ber des Lebens nahe. Maria Mag­da­le­na und Petrus brau­chen eine eige­ne Begeg­nung mit dem Auf­er­stan­de­nen, bevor sie aus ihren Trä­nen auf­ste­hen kön­nen zum Leben.

So wie Johan­nes über die Erfah­rung der Lie­be zum Auf­er­stan­de­nen und damit zur eige­nen Auf­er­ste­hungs­hoff­nung kommt, so fin­den Maria Mag­da­le­na und Petrus durch die Trä­nen ihrer tie­fen Sehn­sucht hin­durch zum Grund des Eige­nen und dar­in zum Abgrund der Unend­lich­keit Got­tes.

Jeder und jede geht einen eige­nen Weg nach Ostern, aber immer endet er beim auf­er­stan­de­nen Herrn.

Dr. Tho­mas Diet­rich
Pfar­rer, Lei­ter der Abtei­lung Sozi­al­pas­to­ral im Erz­bi­schöf­li­chen Seel­sor­ge­amt Freiburg