Meditation zum 5. Sonntag der Osterzeit
Gott ganz nah
Foto: Angelika Kamlage
“God is watching you from a distance!”, heißt es in einer Popballade von Bette Middler. Das Lied stellt einen Gott vor, der uns aus der Ferne beobachtet. Er ist da oben, wir sind da unten. Er ist ganz groß, wir sind ganz klein. Er lebt in einer anderen Welt und wir wollen irgendwann auch dort hinkommen. Wirklich? Der Refrain des Liedes hat mich trotz der eingängigen, wenn auch etwas traurig anmutenden Melodie immer gestört. Was soll ich mit diesem fernen Gott? Interessieren ihn die Dinge, die mich beschäftigen?Jesus vermittelt bei Johannes in seiner Abschiedsrede ein anderes Bild “Wer mich sieht, sieht den Vater.” Gott kann den Menschen doch kaum näher kommen als in seinem Sohn, der sein Schicksal mit uns teilt. Er weiß von unseren kleinen und großen Sorgen und Freuden. Da ist keine Distanz.
Wenn Jesus sagt, dass durch alle, die an ihn glauben, Gott erfahrbar wird, dann rückt Gott im Johannesevangelium noch näher,. Also kann ich Gott auch in mir entdecken. Wenn ich anfange, in mir nach ihm zu suchen, ist Jesu Ratschlag hilfreich: “Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.” Der Blick auf sein Leben und Handeln ist der Kompass für meine Gottessuche.
Jesus spricht den Jüngern Trost zu, bevor er die greifbare Wirklichkeit verlässt. Kein Grund, sich verwirren zu lassen, meint er. Damit tröstet er auch mich, wenn ich mal wieder nicht weiß, woran ich mich festhalten soll. Die Wohnungen, die er den Jüngern und allen, die an ihn glauben, bereiten will, kann ich mir nicht in irgendeiner Anderswelt vorstellen. Eine Wohnung nehme ich mir da, wo ich mich zu Hause fühle, wo ich Heimat habe, wo ich denen nahe bin, die ich liebe. Wenn ich meinen Glauben zu einer greifbaren Wirklichkeit mache, dann muss ich nur noch die Türe aufmachen und bin angekommen. Und dann singe ich keine traurige Ballade von der Distanz zu Gott, sondern ein fröhliches Lied von seiner Nähe!
Burkard Vogt
Bildungsreferent und Öffentlichkeitsarbeiter in der Diözese Würzburg