Meditation zum 6. Sonntag der Osterzeit
Wenn ihr mich liebt
Foto: Angelika Kamlage
Zu allererst ist es ein Beziehungsgeschehen: „Wenn ihr mich liebt.“ Das kennen wir. Was danach kommt, ist ebenfalls bekannt, denn unweigerlich folgt auf den Bedingungssatz die Folgerung. Genau hier entscheidet sich im Zwischenmenschlichen, ob es sich um eine Aussage mit oder ohne Hintergedanken handelt. „Wenn du mich liebst, dann …“ Vom Heiratsantrag bis hin zu subtiler Erpressung sind vielschichtige Variationen dieser Satzfolge denkbar.
Gleich stürzt sich die innere Zensur auf diese Überlegung. Darf man so über eine Aussage Jesu nachdenken? Lässt sich das mit zwischenmenschlichen Kategorien überhaupt einfangen? Der Verstand sagt: andere haben wir nicht. Das weiß auch Jesus, wenn er das menschliche Bild von den Waisen heranzieht, Inbegriff des Verlassen seins. So sollen wir nicht sein und bleiben, wenn er zum Vater geht.
Und dennoch übersteigt die Ankündigung Jesu mein Verstehen. Da wird etwas von seinem Vater, unserem Vater, ausgehen; ein Beistand, der Gemeinschaft stiftet, wie die Welt sie nicht kennt. Irritierend ist die klare Abgrenzung der beiden Bereiche: dort die Welt, die den Sohn nicht sehen noch den Geist empfangen kann, hier die Jünger Jesu. Hoffentlich auch wir. Und eigentlich ist es der wiederkehrende Sohn, der bei uns, den Jüngern bleibt, uns nicht verlässt. Wie das alles zusammendenken? Daher doch noch einmal zurück zum Notenschlüssel des ersten Satzes: Es ist etwas Nüchternes gemeint, kein Gefühlskino, keine überbordenden Emotionen: Wer liebt, der handelt entsprechend. Das ist Jesu Forderung. In Details verliert er sich nicht, es geht ums Ganze.
Etwas durchtragen, verlässlich zu seinem Wort stehen, dafür sorgen, dass es dem anderen gut geht – das muss nicht immer von großen Emotionen begleitet sein, das kann sehr alltäglich, das kann mühsam sein. Jeden Tag das Essen kochen, jeden Tag den kranken Angehörigen versorgen, Woche um Woche den anstrengenden Kollegen ertragen, Monat um Monat diesen Besuch machen, der so ersehnt wird. Das ist Liebe. Meint Jesus. Und genau dann nimmt er uns hinein in seine eigene Liebe zum Vater, das Band, das der Heilige Geist knüpft.